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topplus Solarstrom auf dem Acker

„Es darf keine Pseudo-Agriphotovoltaik geben!“

Der Verband für nachhaltige Agri-PV (VnAP) fordert eine klare Definition von Agri-PV, um die Landwirtschaft zu schützen. Wie, erklärt der Verbandsvorsitzende im top agrar-Interview.

Lesezeit: 6 Minuten

Hintergrund: Der im Jahr 2023 gegründete Verband für nachhaltige Agri-PV (kurz: VnAP) setzt sich für eine „verantwortungsvolle Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen“ ein. Diese Doppelnutzung soll die Landwirtschaft unterstützen. Warum herkömmliche Solarparks die Landwirtschaft gefährden und wie sich das verhindert lässt, erklärt der Verbandsvorsitzende Sascha Krause-Tünker über die Positionen.

Agriphotovoltaik, kurz: Agri-PV, gilt sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Solarwirtschaft als Lösung, um der zunehmenden Flächenkonkurrenz zu begegnen. Welche Rolle soll dabei Ihr neuer Verband einnehmen?

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Krause-Tünker: Sowohl Verbände der Landwirtschaft als auch der Solarwirtschaft haben das Thema für sich entdeckt. Wir sind aber der Meinung, dass man die Agri-PV ganzheitlich betrachten muss. Das streben wir in unserem Verband an, dabei muss die Landwirtschaft ganz klar im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund haben wir einen landwirtschaftlichen Beirat, der aus drei Landwirten besteht und der ein Vetorecht bei Verbandspositionen hat. Das soll verhindern, dass die Landwirtschaft unter die Räder gerät.

Warum sehen Sie darin eine Gefahr?

Krause-Tünker: Agrar und PV sind ein ungleiches Paar. Während Landwirte im Ackerbau oft einen Erlös in der Größenordnung von nur rund 2000 €/Jahr erzielen, kann dieser bei der Solarstromnutzung bei 50.000 bis 80.000 €/Jahr liegen. Das führt dazu, dass die landwirtschaftliche Nutzung bei renditeorientierten Projektierern in den Hintergrund gerät, denn dafür ist einfach zu viel Geld im Spiel. Vor allem, wenn die Agri-PV ein eigenes Ausschreibungssegment mit einer höheren Einspeisevergütung erhält, ist der finanzielle Anreiz für viele Firmen da. Darüber hinaus können sie sich mit Agri-PV Flächen erschließen, die ihnen mit konventionellen Parks verschlossen bleiben. Wie auch immer geartete Pseudo-Agri-PV-Anlagen wären nicht nur nachteilig für die Landwirtschaft, sondern auch für das Ansehen und die Akzeptanz der Agri-PV insgesamt. Das zeigen negative Beispiele aus China oder Taiwan, bei denen die Parks nach einer gewissen Zeit verwaisen und nur noch Solarstrom produziert wird, während keine landwirtschaftliche Nutzung mehr stattfindet. Das muss auch der Solarwirtschaft klar sein: Wenn die Agri-PV mangels Akzeptanz scheitert, hat niemand etwas davon.

Genau zu diesem Zweck ist aber doch die Vornorm DIN Spec 91434 geschaffen worden, um die Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung zu definieren.

Krause-Tünker: Ja, aber die DIN-Vornorm ist nicht ausreichend, um Missbrauch wirksam zu verhindern: die Definition von Agri-PV ist dort viel zu allgemein und lässt viel Spielraum zu. Zudem ist die Überprüfbarkeit schwierig.

In der DIN Spec gibt es auch nur zwei Anlagentypen: Hochaufgeständert mit 2,10 m Modulhöhe oder bodennahe Anlagen. Bei den hochaufgeständerten Anlagen soll die Landwirtschaft unter den Modulen erfolgen, bei den bodennahen dazwischen. Aber unter 2,10 m passen kein Traktor oder Mähdrescher. Daher ist das nur für Dauerkulturen geeignet, aber nicht für den Ackerbau.

Unsere Position dagegen ist: Die Agri-PV sollte eine Ergänzung zur heutigen Landbewirtschaftung sein. Dabei muss klar differenziert werden nach den landwirtschaftlichen Anwendungsfällen. In der bereits beschriebenen Konstellation ist klar, dass Agri-PV-Anlagen in weiten Teilen nur genau so viel Landwirtschaft erlauben werden, wie der Gesetzgeber vorschreibt. Entsprechend müssen die notwendigen Freiheitsgrade für eine ernsthafte Bewirtschaftung umfassend festgeschrieben werden.

Welche Kategorien halten Sie für sinnvoll?

Krause-Tünker: Dazu gibt es verschiedene Beispiele. So gibt es gute Ansätze in Dauerkulturen, bei denen die Solarmodule Pflanzen vor Hagel oder Starkregen schützen können. Hoch aufgeständerte Anlagen können gerade in ariden Gebieten und bei Schattengewächsen die Wachstumsbedingungen fördern.

Vertikale Anlagen können mit minimalem Flächenbedarf weiterhin großflächigen Ackerbau erlauben und zudem Wind- und Erosionsschutz bieten. Wichtig ist, dass man die verschiedenen Anwendungen in den Blick nimmt und nicht alles in einen Topf wirft. Denn dann wird sich nur die Technik durchsetzen, die den höchsten Profit verspricht. Ein gutes Beispiel dafür wäre, wenn man mit konventionellen Anlagen den Agri-PV-Status alleine durch etwas weitere Reihenabstände zur Steigerung der Biodiversität erreichen kann.

Ein neuer Ansatz ist die Kombination mit der Tierhaltung. Dazu ist ja auch eine neue DIN Spec in Arbeit. Ist das aus Ihrer Sicht zielführend?

Krause-Tünker: An sich ist das Ansinnen natürlich zu begrüßen, aber die DIN Spec Tierhaltung hat sich leider in die Gegenrichtung von unserer Position entwickelt. Auch dort ist keine Differenzierung nach Gattungen vorgesehen. Dabei gibt es bei Rindern, Schafen, Schweinen, Hühnern oder Bienen sehr unterschiedliche Anwendungsfälle.

Die Norm ist darüberhinaus nicht aus Anwendersicht erarbeitet, der Hauptanwender (der Regulierer) ist gar nicht eingebunden. Es fehlt insbesondere an objektiven und quantifizierbaren Kriterien, die eine landwirtschaftliche Hauptnutzung sicherstellen. Die Diskussionen im Normungsausschuss sind häufig auch von Einzelinteressen, z.B. auch von großen Energieversorgern, dominiert.

Was wäre Ihre Lösung?

Krause-Tünker: Bei der Erarbeitung bräuchte es eine wesentlich stärkere Rolle wirklich unabhängiger, ausgewiesener Landwirtschaftsspezialisten aus der Wissenschaft, aber auch öffentlicher Institutionen aus der Landwirtschaft (z.B. der Landwirtschaftskammern), aber gegebenenfalls auch des Umweltbundesamtes, welche auch später mit der Überwachung betraut sein müssten.

Die Förderung müsste nach den Kosten der verschiedenen Kategorien differenziert sein. Es bräuchte ein laufendes Monitoring, wie sich einzelne Technologien innerhalb der Kategorien behaupten, und ob das dem landwirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich Gewünschtem entspricht. Bei Fehlentwicklungen müsste die Definition zeitnah angepasst werden.

Wichtig wäre, dass die Fördersätze per Verordnung festgelegt werden, damit Änderungen schneller möglich sind als mit dem parlamentarischen Verfahren im Bundestag. Wir müssen den Spagat schaffen, jetzt mit der Agri-PV richtig loszulegen, obwohl das Regelwerk noch nicht perfekt ist – denn sonst verpassen wir die Chancen, die die Agri-PV für Energiewende, Landwirtschaft und Gesellschaft bietet. Dafür bedarf es einer dynamischen Regulierung, die die Entwicklung national und international beobachtet und auf dieser Basis die Regulierung laufend weiterentwickelt.

Wie kann man kontrollieren, dass die landwirtschaftliche Hauptnutzung erhalten bleibt?

Krause-Tünker: Die landwirtschaftliche Hauptnutzung muss vor allem durch klare Grenzen für die PV-Systeme entsprechend der jeweiligen landwirtschaftlichen Nutzungskategorien überhaupt möglich sein. Es müssen plausible Agri-PV-Nutzungskonzepte hinterlegt werden, die von unabhängigen Kontrollbehörden wie z.B. Landwirtschaftskammern freigegeben werden. Bei einem Monitoring der Ernteerträge sind klare Vorgaben für die landwirtschaftlichen Referenzerträge nötig. Auch kann auf existierende Nachweissysteme aus dem Landwirtschaftssektor (wie z.B. für die EU-Direktzahlungen) zurückgreifen.

Welche Impulse kann Ihr Verband dabei geben?

Krause-Tünker: Wir wollen die Interessen von Betreibern, Projektieren und Anlagenherstellern bündeln, die die gleiche Position haben wie wir. Dazu kommt, dass wir auch von den Erfahrungen aus dem Ausland lernen wollen. Unser Gründungsmitglied Rem Tec ist ebenfalls Gründungsmitglied bei einem italienischen und einem französischen Agri-PV-Verband (France Agrivoltaïsme und Associazione Italiana Agrivoltaico Sostenibile). Wir wollen hier ein Bindeglied sein, um Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen und die Agri-PV zu einem erfolgreichen Standbein der Energiewende und der Landwirtschaft machen.

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